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Zehntausende von Kindern in Australien von Staat und Kirche missbraucht
7. April 2018 | Familie | Soziales | Psychologie | Gesellschaft | connectiv.events
Über Jahrzehnte hinweg litten zehntausende australische Kinder in kirchlichen und staatlichen Einrichtungen Höllenqualen. Sie wurden sexuell missbraucht. Dies stellt ein Abschlussbericht einer offiziellen, australischen Ermittlungskommission fest.In den katholischen Orden sollen bis zu 40 Prozent der Mitglieder betroffen sein. Unter den Priestern sollen etwa sieben Prozent in den Massen-Kindesmissbrauch verwickelt gewesen sein. Der Kommission zufolge lag das Durchschnittsalter der Kinder bei circa elf Jahren. Darunter waren kleine Jungen mit neunzig Prozent die größte Gruppe.
Fast immer blieben die Beschuldigungen folgenlos, sagte Gail Furness, die führende Rechtsanwältin der Kommission. „Die Erzählungen und Klagen derKinder wurden ignoriert. Manchmal wurden sie sogar bestraft, als hätten sie eine Lüge verbreitet. Die Vorwürfe wurden stillschweigend ignoriert und nicht untersucht. Bisweilen wurden Priester dann einfach in eine andere Gemeinde versetzt. Die Leute in diesen Gemeinden erfuhren aber nichts von den Vorkommnissen.“ Wörtlich heisst es in dem Bericht: «Zehntausende Kinder in vielen australischen Einrichtungen wurden sexuell missbraucht. Die genaue Zahl werden wir nie wissen»
Die Kommission war 2012 von der damaligen Premierministerin Julia Gillard eingerichtet worden, nachdem eine Reihe von schweren Missbrauchsfällen bekannt geworden waren. Ihr Nachfolger Malcolm Turnbull sprach von einer «nationalen Tragödie». Die Missbrauchskommission wurde 2013 von der australischen Regierung eingesetzt. In den kommenden drei Wochen hält sie ihre letzte Anhörung ab, in der Beweise und Daten aus den Anhörungen der vergangenen Jahre über das Verhalten von katholischen Diözesen, Orden und Institutionen bewertet werden sollen. Auch die Aussagen von Opfern und Zeugen sollen noch einmal thematisiert werden. Im Zentrum wird dabei die Frage stehen, wie die Kirche in Zukunft den sexuellen Missbrauch von Kindern verhindern will. Dazu hat die Kommission zahlreiche Bischöfe, Kirchenrechtsexperten und andere Vertreter vorgeladen.
Die Kommission machte auch mehr als 400 Vorschläge, mit denen verhindert werden soll, dass sich Fälle in einem solchen Ausmass wiederholen. Dazu gehört, dass sich künftig strafbar macht, wer von Sexualvergehen an Kindern weiss und diese nicht anzeigt. Zudem soll eine nationale Behörde zum Schutz von Kindern eingerichtet werden. An Kindergärten und Grundschulen soll künftig früher gewarnt werden.
Die Forderung der Kommission, das Beichtgeheimnis zu lockern, damit Priester Fälle sexuellen Missbrauchs anzeigen können, von denen sie im Beichtstuhl erfahren, lehnte der Erzbischof jedoch ab. Für die katholische Kirche sei das Beichtgeheimnis von grosser Bedeutung, sagte Hart.
Der Erzbischof von Sydney, Anthony Fisher, sagte sich in einer ersten Stellungnahme, er sei schockiert über die Ergebnisse und es sei grauenvoll, was die Kommission an Erkenntnissen zutage gefördert habe. Er bedauere diese Vergehen und die zahlreichen Opfer. „Wir Katholiken schämen uns.“ Fisher legte jedoch Wert auf die Feststellung, dass es immer noch um letztendlich noch nicht bewiesene Anschuldigungen und vermutlichee Täter gehe. Man müsse zwischen mutmaßlichen Taten und bewiesenen Taten unterscheiden.
Vertreter der Opfer wiesen dagegen darauf hin, dass die infrage stehenden Opferzahlen das als gesichert angesehene Minimum seien. Wahrscheinlich sei die Zahl der Opfer noch deutlich höher. „Die Kirche hat viele Fälle vertuscht, so wie sie es seit 2.000 Jahren tut“, sagte Bernard Barrett, der mit anderen seit Jahren die Missbrauchsfälle dokumentiert, dem britischen Guardian.